Lessons Learned

Ein Jahr 4-Tage-Woche: Ein voller Erfolg

Melinda Baranyai

Vor einem Jahr haben wir als Unternehmen als einen großen Schritt gewagt. Wir haben die Vier-Tage-Woche eingeführt – nicht als Experiment, sondern von Anfang an als ein Konzept, das wir unter konstanter Evaluation und Anpassung beibehalten werden. Unser Fazit: ein voller Erfolg! Trotz organisatorischer Herausforderungen können und möchten wir uns keinen anderen Arbeitsalltag mehr vorstellen.

Unser Modell in Kurzfassung

Die Vier-Tage-Woche, wie wir sie leben, quetscht nicht 40 Stunden Wochenarbeitszeit in vier Tage. Wir haben letztes Jahr im Mai vielmehr die Wochenarbeitszeit von 38 auf 32 Stunden reduziert – und unseren Mitarbeitenden die Entscheidung individuell überlassen, ob sie diese Stundenzahl an vier oder fünf Tagen arbeiten möchten. Bei einer Vier-Tage-Woche liegt die Arbeitszeit also bei 8 Stunden pro Tag, bei einer Fünf-Tage-Woche reduziert sie sich auf 6,4 Stunden. Einzig verbindlich: Der freie Tag im Rahmen der Vier-Tage-Woche ist immer der Freitag.

Die Arbeitszeitreduktion gilt für alle in unserem Team: Teilzeitkräfte, die vor der Einführung weniger als 38 Stunden gearbeitet haben, reduzierten dementsprechend ihre Arbeitszeit um 16%. Das Gehalt blieb für alle unverändert, was einer Erhöhung des Stundenlohns um 16% entsprach.

Von gelebter Work-Life-Balance zu mehr Produktivität

Viele Studien bestätigen die Vorteile einer reduzierten Wochenarbeitszeit: ein geringeres Stresslevel, weniger Krankheitstage, mehr Zufriedenheit und damit verbunden eine höhere Verweildauer im Unternehmen. Das empfindet auch unser Team so: In den regelmäßigen Feedbackrunden haben sich alle für die positiven Effekte und damit für die Beibehaltung der Vier-Tage-Woche ausgesprochen.

Ein zusätzlicher freier Tag in der Woche macht es viel leichter Freundschaften außerhalb der Arbeit zu pflegen und zu verreisen, ohne extra Urlaub zu nehmen. Wenn andere über Stress durch ihre Arbeitsbelastung klagen, kann ich gar nicht mitreden.

Elisabeth, Software-Entwicklerin

Ein Mitarbeiter hat sich bei Einführung des Modells dafür entschieden, bei einer Fünf-Tage-Woche mit entsprechend reduzierter Tagesarbeitszeit zu bleiben – auch er ist ausgesprochen zufrieden und möchte weiterhin bei seiner Variante bleiben.

Als jemand, der mehrmals pro Woche Sport treibt, ermöglicht mir das Modell, Stoßzeiten zu vermeiden – das spart mir viel Stress. Für diese Arbeitsbedingungen bin ich sehr dankbar, und sie tragen dazu bei, dass ich auf der Arbeit motivierter und zielgerichteter arbeite.

Renaldo, Software-Entwickler

Die positiven Effekte der verbesserten Work-Life-Balance gehen für unser Team sogar über das persönliche Wohlbefinden hinaus. So starten montags alle nach drei freien Tagen deutlich erholter in die Woche. Dadurch fühlen sie sich motivierter, produktiver und effektiver in ihrer Arbeitsgestaltung. Offenbar wirkt sich das positiv auf die Gesundheit aus, denn: Die Summe der Krankheitstage hat sich seit der Einführung des Modells merklich reduziert.  

Ich habe das Gefühl, dass ich, gerade zum Ende der Arbeitswoche, im Vergleich zu vorher produktiver bin. Überhaupt nutze ich den Arbeitstag gefühlt effektiver. Einen Tag mehr frei zu haben ist richtig gut, ich würde das Modell auf jeden Fall weiterempfehlen.

Christian, Software-Entwickler

Das A&O: effiziente Organisation

Als Software-Unternehmen haben wir uns im Vorfeld der Einführung viele Gedanken gemacht, wie wir trotz freiem Freitag die Erreichbarkeit für unsere Kunden gewährleisten können. Dafür haben wir das Modell der „verrückten Woche“ entwickelt: jeden Freitag ist ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin fest für den Kundensupport bestimmt. Als Ausgleich rückt der wegfallende freie Tag auf den vorhergehenden Montag – wir nennen das daher „verrückte Woche“. Die Reihenfolge der Dienste legen wir mit ausreichend Vorlauf nach Zufallsprinzip fest, individuelle Anpassungen haben bisher reibungslos funktioniert.

Dieses neue Support-Modell haben wir zusätzlich durch technische Features in Microsoft Teams ausgebaut: Damit niemand seine verrückte Woche vergisst, verschickt unser Arbeitszeit-Management-System automatisch Erinnerungen per Teams. Darüber hinaus werden diese Termine auch automatisiert in die Outlook-Kalender eingetragen.

Neben der Gewährleistung des Supports haben wir zwei einschneidende Veränderungen in unserer Zeitkultur einführt. Erstens haben wir die Standardzeit für Meetings halbiert. Voraussetzung dafür: Wir gehen nun gut vorbereitet in die Termine und arbeiten in der kürzeren Zeit strukturierter, fokussierter und lösungsorientierter. Zweitens haben wir „Sprechzeiten“ eingeführt, in der gesammelte Rückfragen geklärt werden können. Abseits dessen arbeiten wir weitestgehend störungsfrei und konzentriert, da in der Fokuszeit gilt: nur stören, wenn es wirklich absolut notwendig ist.

Wenn ich resümiere, was ich in der Woche geschafft habe, komme ich immer zu dem Ergebnis, mindestens genau so viel oder sogar mehr als früher geschafft zu haben. Dies liegt vermutlich einerseits an der zusätzlichen Motivation, dafür einen weiteren Erholungstag zu haben. Dazu kommt aber auch eine deutlich bessere Organisation unserer internen Abstimmungen und Besprechungsplanung, durch welche die vorhandene Zeit effizienter genutzt wird als früher.

Matthias, CTO

Beide Maßnahmen werden von unserem Team nicht nur super mitgetragen, sondern auch sehr geschätzt. Trotz der verkürzten Meetings ist es uns weiterhin ein Anliegen, dass unsere Gemeinschaft nicht zu kurz kommt. Aus diesem Grund haben wir unser freiwilliges Morgenmeeting zum lockeren Austausch an zwei Tagen die Woche beibehalten. Zusätzlich organisieren wir quartalsweise Teamtage mit verschiedensten Aktivitäten – Teilnahme freiwillig, eine gute Zeit garantiert!

Aus Skepsis wird Interesse

Anfangs stießen wir mit unserer Arbeitszeitverkürzung bei vielen Kunden auf Skepsis – insbesondere, was unsere Erreichbarkeit und die Sicherstellung des Supports betraf. Das vergangene Jahr hat jedoch deutlich gezeigt: es funktioniert. Unsere Kunden sind nicht nur weiterhin zufrieden, sondern äußerten auch immer wieder großes Interesse an unserem neuen Arbeitsmodell.

Selbst über unsere Geschäftsbeziehungen hinaus wurden wir von anderen Unternehmen kontaktiert, die sich von unserem Interview im t3n-Magazin inspiriert fühlten und wissen wollten, wie wir die Vier-Tage-Woche konkret umgesetzt haben. Auch meldeten sich Studierende, um unsere Vorstände für eine Abschlussarbeit zum Thema Arbeitszeitverkürzung zu interviewen.

Klar ist: das Konzept einer reduzierten Arbeitszeit im Sinne einer besseren Work-Life-Balance erzeugt eine riesige Resonanz. Der Wunsch nach gut funktionierenden Modellen in der Alltagspraxis scheint groß, das Interesse insbesondere auf Arbeitnehmerseite immens. Wir können das vollkommen nachvollziehen, denn: Niemand von uns möchte von nun an auf die Vier-Tage-Woche verzichten.

Unsere 4TW ist viel mehr als nur ein Tag frei: Wir haben sie mit vielen Maßnahmen kombiniert - organisatorisch, kommunikativ und - ja: auch kulturell. In dieser Kombination ist sie ein Riesenerfolg. Wir würden es immer wieder so machen.

Markus, CEO
Melinda Baranyai
Melinda Baranyai Social Media Managerin

Freigeistige Allrounderin mit einer Vorliebe für Kreativität und Zwischenmenschliches. Approbierte Psychotherapeutin in ambulanter Praxis und Social Media Managerin bei polyEstate. Aktuell im Ruhrgebiet zu Hause, mit dem Herzen stets in den Bergen.

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Über uns

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Seit dem 1. Mai 2024 bedeutet “Vollzeit” bei uns eine Wochenarbeitszeit von 32 Stunden. Bei gleichbleibendem Gehalt. Und gewährleistetem Kunden-Support. Unser eigens dafür entwickeltes Konzept stellen wir hier vor.

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